Liebe Gemeinde,
ich begrüße Sie alle recht herzlich am heutigen 11. Sonntag nach Trinitatis. Den Predigttext für den heutigen Sonntag finden wir im Lukasevangelium, Kapitel 18, die Verse 9-14. Lassen Sie uns diesen Text zunächst gemeinsam lesen:
Vom Pharisäer und Zöllner
Er sagte aber zu einigen von ihnen, die sich anmaßten, fromm zu sein, und verachteten die anderen, dies Gleichnis: Es gingen zwei Menschen hinauf in den Tempel, um zu beten, der eine ein Pharisäer, der andere ein Zöllner. Der Pharisäer stand für sich und betete so: Ich danke dir, Gott, dass ich nicht bin wie die anderen Leute, Räuber, Betrüger, Ehebrecher oder auch wie dieser Zöllner. Ich faste zweimal in der Woche und gebe den Zehnten von allem, was ich einnehme. Der Zöllner aber stand
ferne, wollte auch die Augen nicht aufheben zum Himmel, sondern schlug an seine Brust und sprach: Gott, sei mir Sünder gnädig!
Ich sage euch: Dieser ging gerechtfertigt hinab in sein Haus, nicht jener. Denn wer sich selbst erhöht, der wird erniedrigt werden; und wer sich selbst erniedrigt, der wird erhöht werden.
Liebe Gemeinde,
ein Gleichnis, welches sich selbst erklärt. So könnte man jedenfalls meinen, wenn man dieses Gleichnis zum ersten Male liest. Doch ganz so einfach sind die Dinge dann doch nicht, wie es auf den ersten Blick scheint. Lassen Sie uns gemeinsam suchen zu ergründen, was denn hinter diesem Gleichnis steckt.
1. Der Pharisäer
Er kommt in diesem Gleichnis schlecht weg. Er ist der böse Klerus, der über den Dingen schwebt. Aber ganz so ist es nicht. Er nimmt die Sache mit Gott nämlich sehr ernst. Er geht in den Tempel, um zu beten. Er fastet regelmäßig und er gibt auch von seinem Geld den Zehnten, wie es sich gehört.
Also unter einem betrügerischen, über den Dingen stehendem Gottesmann stelle ich mir jedenfalls etwas anderes vor.
An der Magenfrage und an der Geldbeutelfrage lässt sich nämlich sehr schnell ablesen, wie ernst es jemand mit dem Glauben nimmt. Solange wie diese beiden Fragen nicht im Raum stehen, solange sind wir alle nämlich Superchristen. Aber schon wenn es an das Teilen des eigenen Vermögens
geht, schon dann teilt sich die Spreu vom Weizen.
Bei dem Fasten sieht dies nicht anders aus. Unter Fasten kann man nämlich auch verstehen, auf etwas zu verzichten, was mir lieb und teuer geworden ist und dieses etwas dem Herrn zu geben. Und da bleibt von dem o.g. Weizen auch nicht mehr all zu viel übrig.
Kurzum: Wenn wir den Pharisäer einmal etwas näher durchleuchten, dann ist er doch gar kein so übler Zeitgenosse. Er betet, er gibt den Zehnten und er fastet regelmäßig. Ich würde mal sagen, das ist doch eine ganze Menge, was er leistet.
2. Der Zöllner
Der arme, arme Zöllner. Er kommt so gut aus der Geschichte heraus. Zu Recht ? Ich glaub eher nicht.
Schauen wir uns doch diesen Zöllner einmal etwas näher an. Die Zöllner waren zur damaligen Zeit recht brutale Burschen. Sie machten gemeinsam Sache mit der Besatzungsmacht. Sie trieben Zölle ein, die dann an die Besatzungsmacht weitergeleitet wurden.
Nicht selten setzten sie aber noch eins drauf, indem sie ihrer Willkür freie Bahn ließen. Den auferlegten Zöllen wurde einfach noch was draufgeschlagen. So besserte man sich das ohnehin schon recht üppige Gehalt nicht unerheblich auf. Wurde man dabei erwischt, dann log man sich eben aus der ganzen Sache fein raus.
Der liebe Zöllner war eigentlich, ja man muss es so sagen, ein durch und durch kriminelles Subjekt, das den Erwerbszweck verfolgte, den eigenen Landsleuten illegal das Geld aus der Tasche zu ziehen um sich damit zu bereichern. Unser heutiges Strafrecht sagt ganz einfach Betrug dazu.
3. Das Gottesurteil
Wenn wir uns die beiden beteiligten Personen also näher angesehen haben, dann sieht die Angelegenheit also schon ein wenig anders aus. Wie aber kommt es dann zu diesem Gottesurteil, dass der Zöllner gerechtfertigt aus dem Tempel ging und der Pharisäer eben nicht?
Vor Gott sehen viele Dinge anders aus, als vor uns Menschen. Gott sieht nämlich nicht das an, was wir äußerlich tun, sondern unser Herr sieht das Herz an. Das können wir zugegebenermaßen natürlich nicht.
Gott sieht, aus welcher inneren Intention, aus welchem inneren Maßstab heraus wir vor ihn treten. Und hier liegt bei den beiden Personen unseres Gleichnisses der Hase im Pfeffer begraben.
Der Pharisäer hatte seinen Maßstab nach unten gerichtet. Er war oben der Zöllner war unten. Und das ist eindeutig falsch. Aber wir müssen uns auch fragen, ob wir nicht ab und wann auch so denken. Ich gehe jede Woche in den Gottesdienst, ich bin Mitglied im Presbyterium und ich gehe zweimal im Jahr auf Sammeltour für die Kirche. Und dann kommt da dieser entlassene Strafgefangene und steht neben mir am Abendmahlstisch und will mir gleich sein?
Liebe Gemeinde, das ist keine Fiktion, das erleben wir immer wieder. Es gibt auch einen Namen dafür und der heißt Hochmut. Hochmut begehe ich immer dann, wenn ich mich über meine Mitmenschen stelle. Und das kann ich nur, wenn ich mittels eines Leistungsmaßstabes urteile. Nur dann kann ich zu dem Ergebnis gelangen: Ich kann mehr und mache mehr als der andere, also bin ich auch mehr wert als der andere. Und das führt auch heute noch dazu, dass wir nicht gerechtfertigt gehen können, wenn wir so denken und handeln.
Der Zöllner hingegen hatte seinen Maßstab nach oben gerichtet. Er wusste, dass er nichts, aber auch rein gar nichts aufweisen konnte, was Gott in irgendeiner Art und Weise beeindrucken könnte. Und er wusste auch, dass er niemals in der Lages sein würde, vor diesem Gott zu bestehen. Auch wenn er sein Leben radikal ändern würde, würde er nicht vor diesem großen Gott bestehen können.
Er hatte erkannt, was wir alle vor Gott sind, nämlich ganz arme Sünder. Für jede Sünde aber muss auch bezahlt werden. Der Zöllner hatte durch seinen nach oben gerichteten Maßstab auch erkannt, dass er das niemals würde leisten können. Was bleibt mir also übrig, wenn ich erkannt habe, dass ich ein Sünder vor dem Herrn bin und dass ich für diese Sünde niemals mit eigenen Mitteln bezahlen kann?
Mir bleibt nunmehr übrig, Gott um Gnade zu bitten. ER ist der einzige der mir helfen kann. Und das hat Jesus dann schließlich auch für uns alle getan, indem er mit seinem Kreuzestod das Lösegeld für all unsere Sünden bezahlt hat.
Das heißt nun natürlich nicht, dass wir uns hochmütig darauf beziehen können. Das heißt für uns, dass wir Gott inständig bitten dürfen, dass dieses Erlösungswerk auch für unsere Sünden gelten möge. Und daran wollen wir uns jeden Tag auf’s Neue erinnern. Auch wenn wir unser Leben
bereits dem Herrn übergeben haben, auch dann bedürfen wir tagtäglich der Gnade unseres Herrn.
Wenn wir uns daran erinnern, dann können wir mit einer leichten Lebenseinstellung durch unser Leben gehen, die der Liederdichter Paul Gerhardt sehr schön in dem 6. Vers seines Liedes „Ist Gott für mich, so trete…“ (EG 351) sehr schön beschreibt, wie folgt:
Nichts, nichts kann mich verdammen, nichts nimmt mir meinen Mut:
die Höll und ihre Flammen löscht meines Heilands Blut.
Kein Urteil mich erschrecket, kein Unheil mich betrübt,
weil mich mit Flügeln decket mein Heiland, der mich liebt.
Der Herr segne Dich und behüte Dich
Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über Dir und sei Dir gnädig
Der Herr hebe sein Angesicht über Dich und gebe Dir seinen Frieden
Amen.
Liebe Gemeinde,
ich wünsche Ihnen allen noch einen gesegneten Sonntag und einen guten Start in die neue Woche.
Es grüßt Sie alle recht herzlich
Ihr
Ulrich Naber